KünstlerInnen des Monats - Claire und Georg Blaschke

Kategorien: Kunst + Kultur
Postet am: 24.10.2019
von Stadtteilmanagement Seestadt aspern
Die Erfahrung vom eigenen Körper in der Bewegung sei essentiell für gesellschaftliches Zusammenleben meint Claire Blaschke, wenn sie über ihre Inspirationsquelle spricht. Die pure Lust sich zu bewegen und das damit verbundene Experiment mit dem Körper nennt Partner Georg Blaschke seine Motivation in der Arbeit mit Tanz. Im Gespräch mit den beiden KünstlerInnen wird klar, dass Tanz – egal, ob explizit oder implizit – eine Gelegenheit sein kann gesellschaftspolitisches Tun zu befördern.
 

Ein Körper-Gefühl für das Zusammenleben

„Die Gesellschaft steht vor besonderen Herausforderungen, wie Zuwanderung, Klimawandel, etc. Kultur ist der erste und wichtigste Aspekt, wie Zusammenleben – nicht nur Toleranz - gelernt werden kann und Tanz hat da eine wichtige Rolle. Indem er sich der Körperwahrnehmung und der Bewegung widmet, schafft Tanz eine Aufmerksamkeit für zwischenmenschliche Beziehung“ erklärt Claire Blaschke ihre, wie sie es nennt „ideologisch-politische“ Sicht auf ihr Metier. Tanz schule die Wahrnehmung anderer Menschen und die Beziehung zur eigenen Umwelt und sei deshalb essentiell für das tägliche Zusammenleben.
Die Verbindung von sozialer und künstlerischer Komponente des Tanzens verfolgt Claire Blaschke im Zuge ihrer Tätigkeit bei „Tanz die Toleranz“. Das Projekt der Caritas, macht Menschen, unabhängig von Talent, Erfahrung, Alter, Geschlecht, Hautfarbe, ethnischer Zugehörigkeit oder sozialer Herkunft die Kunstform Tanz zugänglich.
„Tanz die Toleranz“ war bereits in der Seestadt zu Gast. In Zusammenarbeit mit dem Stadtteilmanagement Seestadt aspern wurden im Rahmen des Kultursommers bereits auf der alten Rollbahn und in der FABRIK Tanzworkshops für Interessierte angeboten. 
 

Bewegung und Experiment

Georg Blaschke, der sich dem Interviewer als freischaffender Choreograf, Produzent, Tänzer und Mathematiklehrer vorstellt, bezieht seine künstlerische Energie aus der Lust an der Bewegung. „Es ist das Experimentieren am Körper in den verschiedenen Zuständen und in verschiedenen Kontexten, das Tanz so spannend macht. Und noch viel mehr das Experimentieren mit verschiedenen Kunstrichtungen – von Musik bis zur bildenden Kunst - an sich“, schwärmt Blaschke von den nicht endenden Möglichkeiten die Kunstform des Tanzes zu erweitern.
Ganz in diesem Sinne bewegt sich auch sein aktuelles Programm „ani_male“ im Grenzbereich zwischen bildender Kunst und Tanz. „Das steckt ja schon im Namen. Da geht es um einen Mischkörper. Ich verwende in diesem Fall schon sehr stark die bildende Kunst für den Tanz, vielleicht ist es auch schon Bildende Kunst.“ Ausgangspunkt der Entwicklung, Produktion und Probe dieses Werks ist die Seestadt. Georg Blaschke nutzt dafür einen Raum in der Baugruppe B.R.O.T. am Hannah-Arendt-Platz. Sein Anliegen war es seinem Wirken von Anfang an auch in der Seestadt nachgehen zu können. 
 

Lebens- und Schaffensort

Die Seestadt ist für die zwei KünstlerInnen aus dem Bereich Tanz und Performance nicht nur Ort des Wirkens – gemeinsam mit der Gruppe mad-dance setzten sie das Projekt „Shake the House“ um. Der neue Stadtteil ist auch Lebensmittelpunkt: „Eigentlich war es Zufall, dass wir in der Seestadt gelandet sind. Unsere damaligen NachbarInnen machten uns auf das Projekt Que[e]rbau aufmerksam. Ich selbst hatte ja eher Angst vor der Stadtplanung am Reißbrett und der Neubauarchitektur.“, erzählt Georg Blaschke von den Anfängen in der Seestadt. Doch die Angst wich  dem positiven Gefühl einer guten Hausgemeinschaft in der sich alle kennen. „Das Andocken an Que[e]rbau war wichtig. Hier kann man sich austauschen und auch über politische Fragen diskutieren und gegebenenfalls auch das ganze Haus mobilisieren, wenn es z.B. um Solidarität mit Mitmenschen geht“ beschreibt Claire Blaschke das Haus.
 

Kunst braucht Raum

Dass Claire und Georg Blaschke auch die Politik im Kulturwesen beschäftigt, ist auch Thema im Gespräch mit dem Stadtteilmanagement. Sie erzählen über Erfahrungen aus der bisherigen Schaffenszeit, von eigenen Erfolgen und Hindernissen in der Seestadt, von ihrer Wahrnehmung der Kulturpolitik der Stadt Wien und Beispielen außerhalb Wiens. 
„Die Kulturpolitik in Wien ist mit dem Leitmotiv „Wien an die Peripherie“ ambitioniert – das gibt es ja in Europa schon häufiger, dass man an die Peripherie denkt. Jedoch gibt es auch die Leuchttürme, die finanziert werden müssen und da bleibt leider wenig für die Peripherie über.“, erläutert Georg Blaschke seine Sicht. 

Der geeignete Raum für Tanz- und Performance - Kunst ist in der Seestadt noch nicht verfügbar, erfährt man im Gespräch.
Beim Performance- und Filmprojekt „Shake the House“ werkten die Beteiligten in den Turnsälen einer Schule in der Seestadt: „Das sind Paläste, es war toll dort zu arbeiten! Doch es war auch bürokratisch, denn dem Schulwart mussten wir Überstunden zahlen, damit wir die Säle benutzen konnten.“ Auch der Raum am Hannah-Arendt-Platz, in dem Georg arbeitet ist gut geeignet, doch müsse er ihn jedes Mal entsprechend adaptieren, was bei intensiver Entwicklungsarbeit wertvolle Zeit, Energie und Geld koste.
 

Seestadt als Ort für Kunst

Im Laufe  des Interviews kommen die beiden KünstlerInnen ins Visionieren und teilen ihre Gedanken zur Seestadt als Ort für Kunst. „Es bräuchte eine größere Location als die FABRIK und zusätzlich Möglichkeiten wo länger geprobt werden könnte.“ Eigentlich brauche es nicht ganz so viel: Einen leeren, heizbaren Raum, Stromanschluss und einen geeigneten Boden, bspw. aus Parkett. Zum Proben würden 80 m² reichen. Es wird auch die internationale Situation dargestellt: In Frankreich und Portugal gäbe es Projekte, anhand derer auch in Österreich viel gelernt werden könne. Wir bleiben also gespannt, was die zukünftigen Entwicklungen in der Seestadt und in Wiens peripheren Gebieten bringt.
 

Tanzen Sie!

Und die Zunkunft des Tanzes? Die sehen die beiden KünstlerInnen doch etwas schwierig. Seit sich die Kunstform in den 80er Jahren zu etablieren begonnen hat – damals fand er auch Eingang in Filme und genoss eine höhere Aufmerksamkeit in den analogen Medien – ist aber das Zielpublikum nicht wirklich gewachsen. „Im partizipativen Bereich gibt es aber schon ein größeres potentielles Publikum als bei der Performance an sich. Hier haben wir die Gelegenheit Schwellen abzubauen und mit der Kunstform vertraut zu machen. In der Brunnenpassage bei Tanz die Toleranz haben wir zwischen 100 und 150 Menschen pro Woche.“, meint Claire Blaschke. Und diese Menschen seien eher affin, Tanz als Kunstform zu konsumieren. Vielleicht eine Chance selbst mal Tanz zu erleben?
 

Kontakt

Tanz die Toleranz

 

M. A. P. Vienna – Movement Art Programmes

 
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